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Die magische Million

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Elektromobilität als Ökologisierungstreiber

Klimaneutralität ist die zentrale Säule des Green Deals, den die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen Ende 2019 vorgestellt hat. Der sehr ehrgeizige Vorschlag sieht eine Reduktion der Treibhausgase um 55 % bis 2023 im Vergleich zu 1990 vor. Während die Gesamtkosten von SARS-CoV-2 noch unklar sind, gibt es erste Modellrechnungen, welche die mit dem Klimawandel verbundenen langfristigen Kosten auf bis zu 4 % des aktuellen BIP der Industrieländer beziffern. Arthur D. Littles neue Serie zur Nachhaltigkeit in Österreich widmet sich innovativen Ideen, relevanten Strategien und notwendigen Umsetzungsvorhaben, welche den Weg hin zu einer schadstoffarmen, ressourcenschonenden Zukunft ebnen. Die aktuelle Fallstudie zu Elektromobilität als Ökologisierungsstreiber zeigt, dass Infrastrukturinvestitionen im Bereich der Elektromobilität notwendig sind, nicht nur um die negativen Folgen von COVID-19 zu reduzieren, sondern auch um die nationalen CO 2 -Emissionen zu drosseln.

Beinahe die Hälfte der österreichischen CO 2 - Emissionen sind auf den Verkehr zurückführbar

Der Druck, ambitioniertere Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen, wächst speziell vonseiten der Europäischen Union seit Jahren stetig an. Der Bereich mit dem größten Schadstoffausstoß ist hierbei seit Jahren der Verkehr, welcher für beinahe die Hälfte der Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich ist.

Während andere Sektoren wie beispielsweise die Landwirtschaft, die Energie und die Industrie ihre Emissionen teilweise massiv senken konnten, nehmen die Emissionen im Straßenverkehr stetig zu. Diese können auch durch Einsparungen in den anderen Bereichen nicht ausgeglichen werden.

Im Jahr 2019 emittierte dieser Bereich einen neuen Rekordwert von 23,9 Millionen Tonnen CO 2 . Dies entspricht nahezu einer Verdopplung seit 1990. Schwere Nutzfahrzeuge verzeichneten den proportional größten Emissionsanstieg, der maßgeblich vom Transitverkehr getrieben wird.

Den größten Teil der CO 2 Emissionen verbuchten jedoch Pkw, welche für circa 15,1 Millionen Tonnen des jährlich in Österreich anfallenden CO 2 -Ausstoßes verantwortlich sind. Dies liegt auch daran, dass noch immer 99 Prozent der österreichischen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren u sind. Um den Schadstoffausstoß möglichst rasch zu reduzieren, gibt es eine Reihe an Möglichkeiten, welche aktuell intensiv erforscht und diskutiert werden. So könnten etwa synthetisch hergestellte E-Fuels mittelfristig Abhilfe schaffen. Jedoch gehen Brancheninsider nicht davon aus, dass diese vor 2030 in nennenswerter Menge zur Verfügung gestellt werden können. Ebenso scheint es aktuell unwahrscheinlich, dass Wasserstoff dem Markt kurzfristig in ausreichender Quantität zur Verfügung gestellt werden kann.

Elektromobilität als zentraler Hebel gegen den Klimawandel

Aus diesen Gründen ist die Elektromobilität in absehbarer Zeit die mit Abstand beste Alternative zu Benzin- und Dieselfahrzeugen. Aufgrund seines historisch sehr hohen Anteils an grüner Elektrizität hat Österreich zudem einen großen Vorteil auf dem Weg in Richtung CO 2 -neutralem Personenverkehr. Allerdings ist zu bedenken, dass der vollständige Wechsel des österreichischen Fahrzeugbestands hin zu Elektrofahrzeugen aufgrund des geringen Anteils von Neuzulassungen im Vergleich zum gesamten Fahrzeugbestand von sechs bis sieben Prozent pro Jahr selbst in den optimistischsten Szenarien mehrere Jahrzehnte dauern wird.

Investitionen in die Ladeinfrastruktur und neue Anreize sind notwendig

Europäische Vorreiter wie Norwegen, die Niederlande oder Schweden haben bereits vorgemacht, dass ein Umdenken in Richtung E-Mobilität möglich ist, wenn die Politik und die Wirtschaft rechtzeitig und entschlossen Investitionen tätigen. Hierzu gilt es einerseits, die Nachfrage weiter anzuregen. So wurden im Vorreiterland Norwegen zu Beginn diverse Steuern, inklusive der Mehrwertsteuer auf E-Autos und der motorisierungsabhängigen Sondersteuer auf Kfz, sowie die Osloer Stadtmaut abgeschafft, um die Nachfrage nach E-Autos zu stimulieren. Zudem konnten Fahrer eines Elektroautos vielerorts gratis Strom tanken und die Busspur benutzen. Aufgrund der mittlerweile großen Nachfrage nach E-Fahrzeugen wurde ein Großteil der Maßnahmen wieder zurückgefahren. Bei den diversen Subventionen sollte jedoch darauf geachtet werden, insbesondere die Zulassung von rein batteriebetriebenen Fahrzeugen – und nicht wie im Fall von Schweden primär jene von Plug-In Hybriden – zu erreichen.

Österreich hat unter anderem mit der Abschaffung der NoVA sowie mit diversen Förderungen bereits einige Anreize zum Wechsel hin zu Elektroautos geschaffen, könnte diese jedoch noch weiter ausbauen. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern befindet sich Österreich aktuell nur im EU-Mittelfeld, sowohl hinsichtlich des Anteiles der PKW-Flotte insgesamt als auch mit Blick auf die Neuzulassungen im Jahr 2020.

Mit ein Grund dafür ist der fehlende Zugang zu einer ausreichenden und flächendeckenden Ladeinfrastruktur, der viele Verbraucher weiterhin vom Kauf eines Elektrofahrzeugs abhält. Vorreiter sind hier die Niederlande, welche die höchste Dichte von Ladepunkten in ganz Europa aufweisen. Jedoch könnte Österreich auch bei geringerer Dichte, aber einem prozentuell höheren Anteil an ultraschnellen (DC) Ladepunkten eine ähnlich gute Abdeckung erzielen. Generell sind je nach Region unterschiedliche Ansätze notwendig.

Nur ein Bruchteil der zukünftigen E-Auto Fahrer wird über die Möglichkeit verfügen, von zu Hause aus laden zu können. Dementsprechend ist der Bau von öffentlichen Ladepunkten, einerseits von Wechselstrom- (AC) und vor allem den beim Laden effizienteren Gleichstromsäulen (DC), nicht nur entlang von Autobahnen, sondern auch im urbanen Raum essenziell. Gerade in Städten herrscht jedoch tendenziell wenig Platz. Zudem stellt sich die Nutzung von Ladesäulen oftmals als ineffizient dar. Hier gilt es, die richtige Balance zwischen der Anzahl an EVs, welche einen Ladepunkt in Anspruch nehmen können, und den individuellen Bedürfnissen der Fahrer zu finden. Dabei sollte vermehrt auf Incentives gesetzt werden, beispielsweise indem die Aufladung bzw. das Parken für eine bestimmte Dauer in ansonsten gebührenpflichtigen Stellplätzen gratis ermöglicht wird, nach der benötigten Ladezeit jedoch Parkgebühren anfallen. Dadurch werden bestehende Stationen effizienter genutzt und können einer höheren Anzahl an EV- Besitzern zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Auswahl von geeigneten Ladestationen ist zudem auch die Kompatibilität mit zugelassenen E-Autos zu beachten. Aufgrund der Tatsache, dass heute aber vermutlich auch in der Zukunft hauptsächlich On-Board Charger mit einer Ladeleistung von 7-11kW verbaut werden, bieten leistungsstärkere AC Ladestationen mit 22 bzw. 43kW aktuell nur für wenige EVs einen Mehrwert. Für höhere Leistungen macht deshalb nur die DC Technologie Sinn, da der Strom hier nicht erst On-Board umgewandelt werden muss. Gerade im urbanen Raum mit wenig Platz könnten hier DC Wallboxen mittelfristig eine kostengünstige Abhilfe schaffen. Erst kürzlich hat der Südtiroler DC Pionier Alpitronic eine DC Wallbox mit 50kW Ladeleistung vorgestellt, die sich besonders gut für urbane Anwendungen mit wenig Bauraum (z.B. Parkgaragen) eignen würde.

Darüber hinaus sollte ein stärkerer Anreiz für private Bauträger geschaffen werden, EV Konzepte von Beginn an in die Infrastrukturplanung miteinzubeziehen. Die Montage von Ladepunkten sollte insbesondere in Zonen mit limitiertem Platzangebot erfolgen und die zentralsten Parkmöglichkeiten E-Autos vorbehalten sein, um das Angebot einer günstigen oder gar kostenlosen Lademöglichkeit zusätzlich zu erweitern.

Fokus auf hochrangiges Straßennetz und lokale Begegnungszonen in ländlichen Regionen

Im ruralen Raum nimmt die Möglichkeit, Elektroautos zu Hause laden zu können, eine besonders wichtige Rolle ein. Nicht umsonst gibt es hier diverse Anreize bei der Anschaffung von Heimladestationen. Darüber hinaus gilt es jedoch, vermehrt Förderungen für Destination-Charging Initiativen zur Verfügung zu stellen. Durch die Installation von Ladestationen in Begegnungszonen wie etwa vor Supermärkten, Gastronomiebetrieben, oder Einkaufszentren, kann der notwendige Ladevorgang besser mit alltäglichen Tätigkeiten kombiniert werden. Ziel muss es sein, die Hürde zum Laden des EVs bestmöglich abzubauen, um so den Umstieg auf ein elektrisches Fahrzeug zu erleichtern. Abgesehen davon wird der Aufbau einer Ultraschnellladeinfrastruktur entlang des hochrangigen Straßennetzes (Autobahnen und Bundesstraßen) für ein Transit- und Tourismusland wie Österreich auch außerhalb der urbanen Zentren zunehmend standortentscheidend. Wichtig ist auch hier der bedarfsorientierte Rollout für weitere Strecken mit zunehmender Dichte, je mehr potenzielle Fahrzeuge eine Strecke bzw. einen Knotenpunkt frequentieren.

Ladeinfrastrukturinvestitionen können bis 2030 eine Million EVs auf Österreichs Straßen bringen

Aktuell wechseln vor allem jene Bürger auf ein E-Auto, die entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz Zugang zu einem Ladepunkt haben. Daraus lässt sich die Notwendigkeit eines umfangreichen öffentlichen Ausbaus der zur Verfügung gestellten Ladeinfrastrukturen ableiten, da nur so der Großteil der Bevölkerung zum Kauf eines Elektrofahrzeugs bewegt werden kann. Damit das zuvor beschriebene Szenario Realität wird, müsste bis 2030 die Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte verzehnfacht und dabei vor allem die Menge an DC-Schnellladepunkten mit ≥150kW massiv ausgebaut werden.

Hierfür sind bis 2030 Investitionen in Höhe von 870 Millionen Euro notwendig. Die für den Ladeinfrastrukturaufbau erforderlichen Investitionen müssen sowohl vom öffentlichen als auch vom privaten Sektor getragen werden. Beispiele aus Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich zeigen, wie durch öffentlich-private Partnerschaften (PPP) oder durch die Vergabe attraktiver regionaler Konzessionen an private Unternehmen nicht nur die finanziellen Lasten und Risiken geteilt werden, sondern auch langfristig heimische Interessen sichergestellt werden können. Gerade für eine zunehmend strategisch relevante und kritische Infrastruktur ist eine stabile österreichische Eigentümerstruktur von zentraler Bedeutung. Durch die gezielte Betätigung dieser beiden Hebel könnte Österreich bis 2030 mehr als eine Million Elektrofahrzeuge auf die heimischen Straßen bringen.

Großes Einsparungspotenzial gegeben

Neue Modellrechnungen von Arthur D. Little haben ergeben, dass so bis 2040 mehr als 70 Millionen Tonnen CO 2 eingespart werden könnten. Die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus inklusive der damit einhergehenden Veränderungen der Mobilitätsmuster öffnet Entscheidungsträgern ein kurzes Zeitfenster, in welchem diese auf das Verkehrsverhalten der österreichischen Bevölkerung einwirken können. Da viele Pendler aufgrund gesundheitlicher Bedenken vermehrt den Pkw öffentlichen Verkehrsmitteln vorziehen, sollte gerade diesen Personen der Wechsel auf elektrische Antriebsalternativen erleichtert werden.

Conclusio

Österreich und einige andere europäische Länder weisen in den Bereichen Digital- und Ladeinfrastruktur eindeutig großes Entwicklungspotenzial auf, das es nun schnellstmöglich zu nutzen gilt.

  • Durch den Ausbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge kann sich Österreich für den dringend notwendigen Paradigmenwechsel im Personenverkehr rüsten und diesen auch für Bürgerinnen und Bürger außerhalb der Ballungsräume forcieren.
  • Innerhalb von Städten sollte der Bau von öffentlichen Ultraschnellladepunkten dringend durch die zuständigen lokalen Organe in Kooperation mit privaten Anbietern forciert & EV-Konzepte bereits von den initialen Planung weg in neue Infrastrukturvorhaben integriert werden.
  • Ländliche Regionen sollten abseits von Förderungen privater Heimladestationen ihren Fokus vor allem auf Destination-Charging Angebote – etwa auf Parkplätzen von Gasthöfen, Supermärkten und Einkaufszentren – legen, um das Laden des Elektroautos besser in den Alltag der Besitzer zu integrieren.
  • Durch die Investition von 870 Millionen Euro in die öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, vorangetrieben durch Public-Private-Partnerships, könnte sich die Anzahl der Ladepunkte an zentralen Orten bis 2030 verzehnfachen.
  • Der daraus resultierende Ausbau der Elektromobilität würde dann bis 2040 zu einer kumulierten Einsparung von rund 70 Millionen Tonnen CO 2 führen.

Es ist an der Zeit, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und entschlossen in eine zukunftsorientierte Infrastruktur zu investieren - in Österreich, sowie in vielen anderen Ländern. Dies aktiv zu verfolgen ist ein entscheidender Schritt in Richtung Klimaneutralität und zur langfristigen Sicherung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit.

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